In der Fachzeitschrift „Photovoltaik“ gab es in der Ausgabe 08/2019 einen lesenswerten Bericht zum Thema Gewerbestrom und wir waren natürlich erfreut, dass uns Petra Franke mit dem Thema „Sektorkopplung“ sogar auf die Titelseite brachte.
Wer mehr Interessantes zu diesem Thema wissen möchte, hier geht es zur Online-Ausgabe – den gesamten Artikel über unser Energiekonzept können sie nachfolgend lesen:
Petra Franke, Photovoltaik 08/2019:
Moderne Einrichtung, Sauna, gesundes Essen, Biokosmetika — Hotelgäste erwarten Wohlfühlangebote, wenn sie auf der Suche nach einer Herberge sind. Das Hotelgewerbe hat diese Wünsche in den letzten Jahren vielfach erfüllt. Bei Neubauten kann man inzwischen von Standards sprechen, aber auch Traditionshäuser haben investiert. Bei Heizung, Küche und Beleuchtung sind Modernisierungen vielerorts im Gange.
Energie ist die Währung
Für das Wohlbefinden der Gäste wird jede Menge Energie gebraucht. Nicht nur Strom, sondern auch Wärme. Zudem steht das Thema Elektroauto auf der Agenda — Ladesäulen für eigene Betriebsfahrzeuge, aber auch für die Gäste schlagen beim Stromverbrauch zu Buche. Energie ist deshalb für jeden Hotelbetrieb ein Thema, zumal vor allem die Verbrauchsspitzen die Betreiber finanziell stark belasten.
Stromautark am Haff
Vier Beispiele zeigen, wie durchdacht und konsequent Hotelbesitzer vorgehen. Wobei sie sich keineswegs nur auf die Energiekosten beschränken. Auch Speisen und Getränke, Wäschequalität‚ Reinigungsmittel und andere Aspekte nachhaltigen Handelns nehmen die Hoteliers ins Visier.
Dirk Klein ist Manager im Haffhus im Seebad Ueckermünde am Stettiner Haff. Die Inhaber begannen 2017 mit den Vorbereitungen für eine Erweiterung der Hotelanlage. 2018 wurde sie realisiert. Auslöser war das Vorhaben, den Spa-Bereich zu vergrößern.
„Da war uns klar, wir müssen uns mit Energie beschäftigen“
, sagt Klein. Aus einer Sauna wurden vier, und ein sieben mal 18 Meter großer Außenpool kam hinzu. Daneben hat sich bei der Stromversorgung etwas Entscheidendes geändert: Das Hafhus ist inzwischen komplett stromautark. Einen Stromnetzanschluss gibt es nicht mehr.
BHKW sorgt für Wärme
Rund fünf Millionen Euro investierten die Besitzer in die Erweiterung, ungefähr eine Million davon in die Technik. Eine Solaranlage mit 118 Kilowatt Leistung auf insgesamt fünf Dachflächen wurde installiert. Neu hinzu kamen außerdem ein BHKW‚ ein Batteriespeicher und eine Wärmepumpe. Die bis zum Umbau genutzte Holzhackschnitzelheizung existiert noch als redundantes System auf der Wärmeseite. Für die Wärmeleistung sorgt das neue Holz-BHKW, das zudem auch Strom produziert. Die Wärmepumpe soll hauptsächlich im Sommer den Sonnenstrom in Wärme umwandeln. Zusätzlich sind für besondere Konstellationen vier Senertec-Dachse mit jeweils 5,5 Kilowatt installiert. Diese Geräte werden mit Gas geheizt und produzieren gleichzeitig Strom. An trüben, kalten Tagen teilen sich Holz-BHKW und Photovoltaikanlage die Stromversorgung. Überschüsse nimmt die Wärmepumpe auf.
Batterie stellt das hausinterne Netz
Der Batteriespeicher ist das Herzstück des Ganzen. Er kommt vom Berliner Hersteller Autarsys und stellt das 50-Hertz-Netz für die Hotelanlage. Er arbeitet mit Lithium-Ionen-Akkus von Samsung und Industriewechselrichtern aus der Maschinenfabrik Rheinhausen. Zwei Geräte mit jeweils 100 Kilowatt Leistung und ein weiteres redundantes Paar mit noch mal 100 Kilowatt Leistung gehören dazu. Testweise wurde bereits einmal das erste Paar zum Ausfall gebracht; das Umspringen auf die Reservegeräte funktionierte.
„Der Sinn dieses Speichers liegt für uns darin, einen möglichst konstanten Ladezustand zu halten, um Verluste durch Ein- und Ausspeichern zu vermeiden.“
, argumentiert Klein. Ein Teil des Batteriespeichers soll demnächst abgetrennt werden, um auch hier ein redundantes System zu haben.
Lernkurve für Laststeuerung
Die Automatisierung im Haus ist darauf ausgelegt, im Batteriespeicher einen konstanten Ladezustand zu halten. Eine Lastmanagementsteuerung übernimmt die Zu- oder Abschaltung bestimmter Geräte.
„Da steckt natürlich eine Lernkurve drin. Zunächst haben wir manuell geschaltet und uns alles genau angesehen und dann nach und nach die Steuerung automatisiert. Jetzt steuert das System nach vorgegebenen Werten, die sich natürlich je nach Jahreszeit unterscheiden“
, berichtet Klein. Drei Elektrofahrzeuge und der Hausmeisterbuggy sind ebenfalls Stellgrößen im Lastmanagement. Klein könnte sich auch vorstellen, dass künstliche Intelligenz die Steuerungsprozesse unterstützt – genau das wäre doch ein sinnvolles Beispiel für deren Einsatz. Der erste Winter mit dem neuen System liegt nun hinter den Hotelbetreibern. Eine Überraschung war, dass auch an den Wintertagen relativ viel Strom mit Photovoltaik produziert wurde: zwischen 50 und 100 Kilowattstunden am Tag. Andererseits – das war zwar erwartet, aber in seiner konkreten Ausfor- mung nicht bekannt – wurden die redundanten Systeme über Weihnachten und Silvester gebraucht, das Haus war voll belegt und der Spa-Bereich ausgiebig genutzt.
Der Spitzenverbrauch war im Haffhus eine entscheidende Größe für das Design des Gesamtsystems. Denn ein Saunaofen zieht mal locker 24 Kilowatt, aber er kann eben auch eine Stunde länger und sanfter angefahren werden, um die Spitze zu vermeiden.
Spitzenverbrauch ist systemrelevant
Klein erzählt:
„Eine Spitze von 100 Kilowatt würde uns bei Netzbezug rund 5.000 Euro im Jahr kosten. Es ist eigentlich dramatisch, wie wenig sich die Hersteller und Installateure darüber Gedanken machen. Wenn man dann noch sieht, welche Wärmemengen von Haus A nach B strömt, nur weil in einem Zimmer zwei Gäste aktiv sind, muss man einfach handeln.”
Die Entscheidung, komplett vom Netz zu gehen, hatte finanzielle Gründe, sollte aber auch ein kritisches Zeichen gegen die bisherige Energiepolitik setzen.
Dirk Klein rechnet vor:
„Wenn wir am Netz geblieben wären, hätten wir unsere Netzanschluss- kapazität erhöhen und auch Spitzenlasten bezahlen müssen. Dazu wären Abregelungsgeräte, Zähler, Blindleistungskompensierung gekommen und die EEG-Umlage für den Eigenverbrauch, bei 300.000 Kilowattstunden immerhin 12.000 Euro — insgesamt standen alles in allem rund 50.000 Euro Netzanschlusskosten auf unserer Rechnung.“